Ein Stück Natur vor der (Schul)haustür
Mit dem Umbau der Emscher und ihrer Nebenläufe wandelt sich eine ganze Region. Aus einem durch Stacheldraht und Hecken isolierten Meideraum soll eine attraktive Gewässerlandschaft werden.
Neben dem hohen Naherholungswert stellt die nachhaltige Wiedererlangung einer lange vermissten Umweltqualität ein zentrales Leitbild dieser neuen Stadtlandschaft dar. Entlang der Gewässer sollen sich verschiedenste Arten ihren Lebensraum zurückerobern. So steht das Projekt unter unserem Motto: GBM – G.esund B.unt M.iteinander.
Was früher – typisch Ruhrpott – grauschwarz und schmutzig war, soll nun ein gesundes und buntes Miteinander von Mensch, Tier und Natur werden.
Ein Biotop (nicht nur) für Bienen
Kaum ein Lebewesen hat in Puncto Artenvielfalt und Nachhaltigkeit einen derartigen Anschauungswert und Symbolcharakter wie die Biene. Nicht ohne Grund! Die Bestäubungsleistung des Fluginsekts garantiert den überwiegenden Teil unseres Artenreichtums an Kultur- und Weidepflanzen, auf welchem wiederum eine hochkomplexe Fauna aufbaut.
Im Gegensatz zu den sogenannten Wildbienen ermöglicht die Zuchtform der Honigbiene verständliche Einblicke in die Thematik. Seit jeher komplettiert das summende Insekt das idealisierte Landschaftsbild. Biene und Imkerhandwerk haben nicht nur in unserer mitteleuropäischen Kulturhistorie ihren festen Platz, sondern sind in fast jedem von Menschen bewohnten Stück Land unseres Planeten verbreitet.
Im Hinblick auf das multikulturelle Gesellschaftsmosaik im Emschertal bzw. in unserer und um unsere Schule stellen die Honigbiene und deren Haltung einen kulturübergreifenden Anknüpfungspunkt zwischen Mensch bzw. Schüler*in und Stadtnatur dar.
Die Kinder unserer Schule sollen lernen, durch gemeinsame Anstrengung Biotope zu schützen, deren Nutzen erkennen und als Multiplikatoren dienen, damit auch die anderen Bewohner der Gegend in diesem Sinne handeln und die wieder neu entstehenden Biotope schätzen und schützen lernen.
Als einer der zentralen Akteure bei der Renaturierung einer ganzen Region hat die Emschergenossenschaft die hohe Bedeutung der Entwicklung des Gewässer begleitenden Raumes erkannt. Denn nur durch die Integration in die urbane Umgebungskulisse, in der auch unsere Schule steht, kann sich das Potential in Gänze entfalten.
Für unsere Schule in Bochum Hamme steht das Gelände rund um den Hofsteder Bach in im Fokus. Es ist vom Schulstandort Gahlensche Straße aus für die Schüler*innen fußläufig in 10 Minuten zu erreichen. Eingerahmt durch einen – zur Zeit noch eingezäunten, für uns als Schule aber zugänglichen – Grünkorridor bietet das Umfeld den Ausgangspunkt für ein neues Naherholungsgebiet und wiedergewonnene ökologische Qualität. Auf genau diesem Gelände steht seit Anfang des Jahres 2017 "unser" Bienenstock.
Engagierte Partner für unsere Schule
Überdies rückte das urbane Umfeld in der Vergangenheit aufgrund sozioökonomischer Problematiken vermehrt in das Blickfeld der Stadtentwicklung. Die Stadt Bochum fördert seit über zwei Jahren gezielt durch Einsatz von Personal- und Sachmitteln für "HaRiHo – die Stadtteilpartner" in Trägerschaft des Kinder- und Jugendverbandes "Die Falken" den Aufbau einer sozialen und nachhaltigen Bildungsreform in den Bochumer Ortsteilen Hamme, Riemke und Hofstede.
Mit unserem Profilkurs "Lernen mit und von den Bienen" soll nun in Zusammenarbeit mit der Emschergenossenschaft, den örtlichen Imkervereinen sowie dem progressiven Eltern- und Erzieherverband NRW e.V. die begonnene Stadtteilarbeit um einen weiteren ökologischen Schwerpunkt ergänzt werden.
Im Sinne der Bildung nachhaltiger Entwicklung eignet sich die Bienenhaltung hervorragend, um ökologische Zusammenhänge aufzuzeigen, ohne erweiterte Themenfelder und das menschliche Handeln aus den Augen zu verlieren. Gerade Kinder – bei uns sind es Schüler*innen des 6. Jahrgangs – kann man mit Hilfe der Bienenhaltung für komplexere Umweltthematiken interessieren und sensibilisieren.
Im Rahmen des naturwissenschaftlichen Unterrichts lernen die Kinder das Fluginsekt näher kennen: Körperbau, Entwicklung, Leben im Staat mit Kastensystem, Aufgabenverteilung ...
Der örtliche Lehrimker Günther Schulz vermittelt zusätzlich die Grundlagen der Bienenhaltung und die Rolle der Biene in der Natur. Auch wenn die Begeisterung der Kinder für das Imkern in der Pubertät möglicherweise erst einmal wieder nachlässt, bleibt doch in den meisten Fällen das ökologische Bewusstsein nachhaltig geschärft und einige der teilnehmenden Kinder erinnern sich im Erwachsenenalter an ihre Tätigkeit am Bienenstock und kehren möglicherweise sogar zur Imkerei zurück.
Eine Studentin der Ruhr-Universität, die sich im Rahmen ihres Biologiestudiums innerhalb der AG Verhaltensbiologie schon näher mit Bienen auseinandergesetzt hat, betreut das Bienenvolk während der Schulferien.
Mit den Bienen durch das Jahr
Unsere Schule hat einen Profilkurs eingerichtet, der – schuljahresüberlappend – ein Bienenvolk ein "Bienenjahr" lang begleitet, so dass die Schüler*innen das Wachstum des Volkes im Frühjahr erleben, selber den Bienenstock erweitern lernen, Honig ernten und schleudern können, den Wachs weiterverarbeiten und auch beobachten können, wie sich "ihr" Volk für den Winter rüstet.
Das Projekt ist dabei multisensual ausgerichtet: die Kinder können die Thematik mit allen Sinnen erleben – sehen, schmecken, riechen, hören und fühlen. Dies kommt gerade auch unseren Inklusionsschüler*innen mit Lernbehinderung oder emotional-sozialer Entwicklungsstörung zugute.
Das schlechte und noch kalte Wetter zu Halbjahresbeginn im Februar haben wir genutzt, um im Schulgebäude theoretische Grundlagen und Zusammenhänge zu vermitteln, um die Beuten (die Bienenkästen) persönlich zu gestalten und um Wachs-Mittelwände in die Rahmen zu schweißen, auf denen die Bienen später ihre Waben bauen.
Seitdem es warm genug für die Bienen ist (April/Mai), gehen wir wöchentlich einmal zu "unserem Volk", das mittlerweise auf zigtausend Bienen angewachsen ist. Gemeinsam mit dem Lehrimker und unter Aufsicht einer Lehrkraft arbeiten die Schüler*innen an "ihrem" Volk.
An den ersten Praxistagen waren alle noch recht scheu den vielen fliegenden und mit Stachel bewehrten Tierchen gegenüber. Alle waren dankbar für den Schleier, der zumindest Kopf und Hals vor den Bienen schützt – sowohl die Schüler*innen als auch Studentin und Lehrkraft.
Nach wenigen Praxistagen legten die meisten Teilnehmer*innen den Schleier aber schon gar nicht mehr an.
Seit dem Frühsommer arbeiten alle ohne Schleier und nehmen ohne weiteres auch voll besetzte Waben mit bloßen Händen aus der Beute, um nach der Königin zu sehen, die Waben auf Schwarmzellen hin zu kontrollieren, die das Volk dezimieren würden, oder um heimlich schon einmal den Finger in eine mit Honig gefüllte Wabe zu stecken und zu probieren, was da Köstliches entsteht.
Alle haben gelernt, dass Bienen nur stechen, wenn sie gequetscht oder bedrängt werden. Einen Stich hat es daher auch – toi toi toi – noch keinen einzigen gegeben!
Kurz vor den Sommerferien wird die Arbeit des ersten halben Jahres mit dem Schleudern des Honigs belohnt, den die Schüler*innen natürlich zunächst selbst essen dürfen, der aber auch auf einem der nächsten Schulaktionstage verkauft werden soll, damit auch das Schulumfeld von der Arbeit mit den Bienen und der Wiedergewinnung des Emschertals erfährt.
Langfristig ist angedacht, auch Eltern und Großeltern der Schüler*innen im Sinne der Familienbildung mit einzubeziehen.
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